Das neue Transgender-Gesetz in Spanien – welche Auswirkungen hat es auf reproduktionsmedizinische Behandlungen
04-04-2023
Am 31. März ist der Internationale Tag der Sichtbarkeit von trans* Personen mit dem auch für die weltweite Diskriminierung von trans* Personen sensibilisiert werden soll. Im Februar hat Spanien einen Schritt vorwärts gemacht mit der Verabschiedung des Transgender-Gesetzes, das eine wirkliche und effektive Gleichstellung von trans* Personen erzielen und eine Garantie der Rechte für die LGTBI-Gemeinschaft darstellen soll. Und das beinhaltet auch, die reproduktiven Möglichkeiten für eine trans* Person, sofern sie dies wünscht, durch reproduktive Behandlungen zu gewährleisteten. Dr. Alicia Herencia, auf Transgender-Fruchtbarkeit spezialisierte Gynäkologin des Instituto Bernabeu in Madrid, erklärt die wichtigsten Neuheiten des Gesetzes hinsichtlich der Reproduktionsmedizin und unterstreicht die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Beratung zur Fruchtbarkeit für trans* Personen.
Kürzlich wurde das Transgender-Gesetz verabschiedet. Was hat sich für trans* Personen geändert, damit sie mit Hilfe der Reproduktionsmedizin ein Kind bekommen können?
Im Februar dieses Jahres wurde das Gesetz 4/2023 verabschiedet, das transsexuellen Personen mit einer Möglichkeit zum Austragen von Kindern den Zugang zu Techniken zur künstlichen Befruchtung zu gleichen Bedingungen ermöglicht, ohne eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität. Das neue Gesetz strebt an, dass die Gesundheitspolitiken die konkreten Bedürfnisse von LGTBI-Personen berücksichtigten und gleichzeitig Fachkräfte im Gesundheitswesen für die speziellen Bedürfnisse dieser Personen geschult werden. In diesem Sinne ist einer der wesentlichen Änderungen die Option für trans* Männer, mit voller rechtlicher Abdeckung eine Schwangerschaft mit ihren eigenen Gameten auszutragen.
Wie wirkt sich das neue Gesetz auf die Behandlungen zur künstlichen Befruchtung bei LGTBI-Paaren aus?
Es hat Auswirkungen auf mehreren Ebenen. Es ermöglicht dem LGTBI-Kollektiv den Zugang zu Techniken zur künstlichen Befruchtung mit den gleichen Rechten wie alle anderen Personen und führt außerdem als Neuerung ein, dass unverheiratete weibliche Paare ihr Kind unter den gleichen Bedingungen wie andere Paare eintragen können.
Bedeutet Transsexualität Sterilität?
In vielen Fällen führt dies zur Sterilität. Das ist abhängig von der Art der Behandlung, die beim Übergangsprozess angewandt wird. Aber im Allgemeinen ist die Unfruchtbarkeit auf die chirurgischen Eingriffe und die hormonellen Behandlungen zur Geschlechtsangleichung zurückzuführen. Personen, die sich solchen Verfahren unterziehen, sollten über diese Möglichkeit informiert werden, damit sie die Möglichkeit haben, Entscheidungen darüber zu treffen, z. B. über die Anwendung von Techniken zur Gametenkonservierung.
Wie kann sich eine trans* Person einer Behandlung zur künstlichen Befruchtung unterziehen?
Das hängt vom jeweiligen Fall und von den Wünschen dieser Person hinsichtlich der Umsetzung ihres Familienprojektes ab. Derzeit gibt es zahlreiche Optionen und jeder Fall sollte individuell bewertet werden, damit jede Person darüber entscheiden und die Behandlung mit der maximal möglichen Sicherheitsgarantie durchführen kann.
Welche medizinischen Empfehlungen haben Sie für eine trans* Person, die in Zukunft ein Kind haben möchte? Muss sie vorab ihre Gameten konservieren?
Es ist wichtig, dass die Person darüber informiert wird, welche Konsequenzen eine Behandlung zur Geschlechtsangleichung im Hinblick auf die Fruchtbarkeit haben kann. Sie sollte eine psychologische Beratung zur Möglichkeit einer Konservierung ihrer Gameten erhalten. Einige Entscheidungen sind irreversibel – wie die chirurgischen Behandlungen zur operativen Entfernung der Eierstöcke oder der Hoden. In diesen Fällen ist eine vorherige Konservierung der Eizellen oder Spermien unbedingt erforderlich, um biologische Kinder haben zu können. Wenn der Übergang nur mit einer Hormontherapie, aber ohne Operation durchgeführt wird, gibt es vielfältige Möglichkeiten und mit den Fortschritten in der Forschung kommen immer neue Optionen auf.
Welche Therapien sind am besten geeignet für die Konservierung von Eizellen und Spermien?
Die geeignetsten Therapien sind die Kryokonservierung von Eizellen oder Samenproben bei Erwachsenen. In der Pubertät gibt es andere Möglichkeiten – genau wie bei Kindern mit onkologischen Erkrankungen. Es handelt sich um die Konservierung von Eierstock- und Hodengewebe, wobei beide Verfahren von den wissenschaftlichen Gesellschaften derzeit als experimentell angesehen werden.
Wie sieht die Konservierung bei einem trans* Mann aus? Wann wäre der richtige Zeitpunkt dafür?
Bei einem erwachsenen trans* Mann kann die Konservierung über eine ovarielle Stimulation und eine anschließende Entnahme und Vitrifizierung von Eizellen erfolgen. Es gibt Hinweise dafür, dass eine Entnahme der Eizellen möglich ist, obwohl bereits eine Hormonbehandlung mit Testosteron begonnen wurde. Dies würde der Person Zeit geben, Entscheidungen über ihr reproduktives Leben zu treffen, ohne die Dysphorie zu verlängern, die durch den Nichtbeginn einer Hormontherapie zur Geschlechtsumwandlung verursacht werden kann. In diesen Fällen ist es angesichts der begrenzten wissenschaftlichen Erkenntnisse wahrscheinlich ratsam, die Testosteronbehandlung einige Wochen vor Beginn der Stimulationsbehandlung der Eierstöcke abzusetzen.
Und bei einer trans* Frau? Wann wäre der richtige Zeitpunkt dafür?
Was die Konservierung bei trans* Frauen betrifft, so ist es möglich, die Samenprobe aus dem Ejakulat einzufrieren oder die Spermien aus den Hoden einzufrieren, die durch eine Technik namens TESE (Hodenbiopsie) gewonnen wurden. Eine Hormontherapie bei trans* Frauen wirkt sich negativ auf die Hodenfunktion aus, und obwohl die Auswirkungen reversibel zu sein scheinen, ist nur sehr wenig über die sichere Dosis und Dauer der Anwendung bekannt. Daher ist es mit den heute zur Verfügung stehenden Daten wahrscheinlich empfehlenswert, eine Konservierung vor dem Beginn der Hormontherapie durchzuführen.