Erhaltung der Fruchtbarkeit bei Transsexuellen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert die reproduktive Gesundheit als einen Zustand des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens, der unter anderem die Fähigkeit eines Menschen, sich zu reproduzieren, und die Freiheit impliziert, über den Zeitpunkt hierfür zu entscheiden.
Die Definition sagt uns, dass die reproduktive Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit ist. Denn seit dem Jahr 2016 wird allen Menschen mit Reproduktionswunsch, die sich ohne technischen oder medizinischen Eingriff nicht reproduzieren könnten, das Recht auf eine medizinische Betreuung zugestanden, wobei auch das Recht von Menschen mit abweichender sexueller Orientierung (LGTBQI) erwähnt und gewährt wird.
Was Transsexuelle betrifft, können die Unfruchtbarkeit oder sogar die Sterilität als Folge der straffenden Behandlungen für die Geschlechtsumwandlung auftreten, sowohl mit chirurgischen Verfahren als auch mit Hormonbehandlungen.
Vor Beginn des Prozesses der Geschlechtsumwandlung ist es wichtig, die Möglichkeit eines zukünftigen oder gegenwärtigen Mutterschafts- oder Vaterschaftswunsches zu besprechen, und die verfügbaren Optionen zur Erhaltung der Fruchtbarkeit für die Zukunft zu erklären und zu kommentieren.
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Transsexuelle Männer
Die regelmäßige Verabreichung von Testosteron kann die Reduzierung der Anzahl der ovariellen Follikel und eine Veränderung von deren Aussehen und Funktionsweise induzieren, was die reproduktiven Möglichkeiten verringert. Obwohl es Nachweise dafür gibt, dass es möglich ist, Eizellen nach Absetzung der Hormontherapie wiederzuerlangen, ist es ratsam, sich um die Erhaltung der Fruchtbarkeit vor einer solchen Therapie zu kümmern, da keine Sicherheiten bestehen, welche Dosis und welcher Anwendungszeitraum bei einer exogenen Hormontherapie sicher sind.
Andererseits ist es offensichtlich, dass die operative Entfernung beider Eierstöcke (bilaterale Oophorektomie) oder der Gebärmutter (Hysterektomie) zu einer Situation führen würden, bei der eine genetische Mutterschaft in Zukunft nicht mehr möglich ist (Notwendigkeit der Spende von Eizellen, die von der Partnerin stammen könnten) und/oder die Möglichkeit einer Schwangerschaft ausgeschlossen ist.
Bei Patientinnen, die die Pubertät bereits hinter sich gelassen haben, verfügen wir über folgende Optionen:
Vitrifizierung von Eizellen
Die Vitrifizierung (ultraschnelles Einfrieren) von Eizellen ist heute eine mehr als konsolidierte Technik, die praktisch keine Unterschiede zu frischen Eizellen aufweist.
Um Eizellen einfrieren zu können, ist es notwendig, sich einer sogenannten “kontrollierten ovariellen Stimulation” zu unterziehen. Dies ist ein medizinischer Prozess, bei dem wir im Lauf von 9-12 Tagen tägliche Injektionen von Substanzen namens Gonadotropine anwenden, die es uns ermöglichen, die natürliche Funktionsweise des Körpers zu verbessern, da hierdurch statt einer einzigen Eizelle mehrere zur Verfügung stehen. Später werden diese Eizellen auf transvaginalem Wege in einem chirurgischen Prozess namens “Wiedergewinnung von Eizellen” wiedererlangt, und alle geeigneten Eizellen werden kryokonserviert.
Es gibt spezielle Stimulationsprotokolle in diesen Fällen, die den Anstieg der Östrogene in Blut minimieren, wodurch die Symptome minimiert werden, die sich aus deren Wirkung ergeben, und die am schwierigsten für uns zu ertragen sein könnten.
Zudem muss auf die Bedeutung einer individualisierten Behandlung hingewiesen werden, bei der der Arzt selbst verantwortlich für die gesamte medizinische Überwachung ist.
Falls zuvor eine Behandlung mit Androgenen eingeleitet wurde, ist es ratsam, sie 3 bis 6 Monate vorher auszusetzen.
Vitrifizierung von Embryonen
Einen Schritt weiter als die oben aufgeführten Verfahren geht die Vitrifizierung der Embryonen. Sobald die Eizellen wiedergewonnen wurden, werden die reifen Eizellen dabei mit einer Samenprobe befruchtet, entweder von dem Partner, falls er männlich ist, oder von einem Spender. Danach werden die Embryonen im Labor kultiviert, bis sie nach 5-6 Tagen die Phase des Blastozysten erreichen und schon ihre Fähigkeit nachgewiesen haben, zu einer Schwangerschaft zu führen.
Eventuell könnten diese Embryonen bei transsexuellen Männern mit Gebärmutter oder bei der Partnerin implantiert werden, falls sie eine Cisgender-Frau ist.
Einfrieren von ovariellem Gewebe
Dies ist eine Technik, die besonders in zwei konkreten Situationen interessant wäre, nämlich bei Patientinnen, die noch nicht in die Pubertät gekommen sind, und als Technik zur Vermeidung einer Hormonstimulation bei Patientinnen, denen dieses Verfahren Unannehmlichkeiten bereiten könnte, und die außerdem während der geschlechtsangleichenden Chirurgie durchgeführt werden könnte.
Diese Technik besteht in der Erhaltung von kleinen Keilen des eingefrorenen ovariellen Gewebes. Zu einem späteren Zeitpunkt kann man dann versuchen, sie neu zu implantieren und eine natürliche Schwangerschaft mit oder ohne ovarielle Stimulation zu erreichen, oder aber reife Eizellen im Labor zu kultivieren.
Obwohl über 60 Geburten mit dieser Technik beschrieben wurden, wird sie heute von den wissenschaftlichen Gesellschaften noch als experimentell betrachtet.
Transsexuelle Frauen
Die Verwendung von Antiandrogenen und einer zusätzlichen Therapie mit Östrogenen hat negative Auswirkungen auf die Funktion der Hoden und deren Morphologie. Sie können zusammen oder separat die Reifung der Spermien beeinträchtigen, was deren Anzahl und auch deren Motilität verringert. Auch wenn diese Auswirkungen reversibel zu sein scheinen, gibt es hierfür noch keine klaren Nachweise. Zudem bestehen Zweifel über die Dosis und den Zeitraum einer sicheren Anwendung.
Außerdem kann die geschlechtsangleichenden Chirurgie, wie die Orchiektomie und die Penektomie, zur Sterilität führen.
Einfrieren von Spermien
Das Einfrieren von Spermien ist eine einfache Methode, mit der Geschlechtszellen bei Patienten erhalten werden können, die schon in der Pubertät sind. Sie besteht im Einfrieren des Sperma-Ejakulats, das durch Masturbation oder durch Elektrostimulation gewonnen wird. Dies ist eine konsolidierte Technik, die ausgezeichnete Ergebnisse bei zukünftigen Befruchtungen bietet.
Hoden-Feinnadelpunktion
Die chirurgische Wiedergewinnung der Spermien und das Einfrieren ist eine Möglichkeit bei post-pubertären Patienten.
Hodenbiopsie und Erhaltung von Spermagewebe
Sie kann während der geschlechtsangleichenden Chirurgie vorgenommen werden. Bei post-pubertären Patienten ermöglicht sie die Wiedergewinnung von reifen Spermien. Bei Patienten, die noch nicht in die Pubertät gekommen sind, ist dies eine experimentelle Technik, mit der unreife Spermien erhalten werden können. Für eine prospektives Konzept wäre es notwendig, das Gewebe neu zu implantieren oder eine Reifung der Spermien im Labor herbeizuführen, gefolgt von einer Technik der künstlichen Befruchtung.
Vitrifizierung von Embryonen
Die Eizellen könnten in diesem Fall von der Partnerin oder von einer Spenderin stammen. Bezüglich einer eventuellen Schwangerschaft gäbe es, falls der Partner ein Cisgender-Mann ist, zwei mögliche Optionen: entweder die Leihmutterschaft, die derzeit in Spanien illegal ist, oder die Transplantation der Gebärmutter, derzeit eine experimentelle Technik, wenngleich sie bereits zu Geburten geführt hat.
Alle großen wissenschaftlichen Gesellschaften betrachten es als unverzichtbar, eine Erhaltung der Fruchtbarkeit zu besprechen, bevor irgendeine Art von Therapie zur Geschlechtsanpassung durchgeführt wird.
Wenn wir von “Erhaltung der Fruchtbarkeit” sprechen, beziehen wir uns allerdings auf das Einfrieren von Geschlechtszellen, denn die bisherigen Nachweise erlauben es, an eine Umsetzung des Reproduktionsprojekts zu denken, welches deren Erhaltung veranlasst hat.
Obwohl die Techniken für Erhaltung der Fruchtbarkeit die Geschlechtsdysphorie verstärken können, zeigen die veröffentlichten Studien eine große Toleranz dieser Techniken und eine hohe Zufriedenheit mit dem Prozess zur Erhaltung der Fruchtbarkeit.
Dr. Cristina García-Ajofrín, Gynäkologin am Instituto Bernabeu